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Eröffnungsrede von Barbara Rübartsch

Blick in den Hortensia-Garden

 

 

Zur Eröffnung des Hortensia-Garden im Skulpturenpark
Sonntag, 8. Juli 2018 um 11 Uhr

Guten Morgen meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich möchte Ihnen gern den Hortensia-Garden in seiner besonderen Umgebung vorstellen.
Die Idee, ihn in Lengerich zu verwirklichen, wurde 2012 während der Gartentage geboren. Von vornherein stand fest, dass er ein Teil des Skulpturenparks werden sollte. Und der Standort bot sich quasi von selber an: der alte Friedhof der LWL-Klinik.
Zur Realisierung dieses Vorhabens und besonders zu den Pflanzen haben Sie schon Informatives gehört.
Ich erzähle Ihnen zunächst etwas zur Geschichte dieses Friedhofs: Die Klinik bestattete ihre verstorbenen Patientinnen und Patienten sowie auch Angehörige des Pflegepersonals seit ihrer Gründung um 1865 auf dem evangelischen Friedhof in der Stadt. Aus finanziellen Gründen kam es zu Problemen, die die Klinik auf ihre Weise löste. Sie schuf 1926 an dieser Stelle ihren eigenen Friedhof mit einer Aufbahrungskapelle.
Die Kapelle, ein aus hiesigem Sandstein gestalteter, schlichter Bau mit integriertem Tor, steht unter Denkmalschutz. Von Vandalismus stark mitgenommen, nahm sich der Stadtmarketingverein Offensive Lengerich ihre Renovierung als erstes Projekt vor. Seitdem – also seit 1999 – wird sie als willkommener Raum der Stille an jedem Sonn- und Feiertag von vielen Besuchern genutzt. Die oft ergreifenden Sätze im Fürbittbuch zeugen beredt davon. Mitglieder des Heimatvereins und der Offensive kümmern sich zuverlässig um den Schließdienst und die Pflege. Vor kurzem erfuhr die Kapelle noch einmal eine Grundsanierung.
Viele der Patientinnen und Patienten, die hier begraben sind, waren zu ihrer Zeit die Ausgestoßenen der Gesellschaft. Einmal in der „Anstalt“, kamen sie nie mehr nach Hause, selbst im Tode nicht.

Aber auch Zwangsarbeiter, die während des zweiten Weltkriegs unter schlimmen Bedingungen in Lengerich lebten und starben, haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Fünf Grabsteine vor dem schli

Barbara Rübartsch hielt die Eröffnungsrede

chten, schönen Denkmal am Übergang zum Wald, erinnern daran.
Trotzdem oder gerade deshalb strahlt dieser Ort eine ganz besondere Atmosphäre aus. Still, besinnlich, friedvoll. Seine Längsachse führt von Ost nach West – von Sonnenaufgang nach Sonnenuntergang. Vom Dunkel der schattigen Bäume wie durch einen Tunnel ins Licht der offenen Landschaft. Für die einen ein stimmungsvolles Bild, für die andern vielleicht Symbol der Hoffnung auf ewiges Leben.
Die Wege gaben schon dem alten Friedhof Struktur. Am Waldrand wurde ein Sitzplatz neu geschaffen, von dem aus der Bick weit in die Ferne schweifen kann – über die Gräber, über das Hier und Jetzt hinaus … .
Und auf diesem Friedhof ist nun der Hortensia-Garden entstanden. Wie hat ihn das verändert?
– Erst einmal ist das Verwunschene, Morbide dieses Ortes ein Stück weit verloren gegangen. Das hatte für manche Besucher auch seinen Reiz.
– Dafür gewann das vorher etwas verwilderte Areal an Farbe, Vielfalt, Struktur und Mehrdeutigkeit. Vielleicht auch an Würde. Die Planer der Firma PLB – Leppert und Böckenhoff haben behutsam
darauf geachtet, den Friedhofscharakter dezent durchscheinen zu lassen, aber nicht hervorzuheben. D. h. die Grabreihen wurden nicht angetastet, die noch vorhandenen Grabsteine gesäubert und ggf. wieder aufgerichtet; die Sandsteinmauer wieder in Ordnung gebracht und die ca. 1.500 Hortensien auf den Flächen mit Bedacht verteilt.
– Die Namen der Toten und ihre Daten rücken wieder mehr in den Blick, ihre Gräber sind vielleicht erstmals von Blumen umgeben und viele Menschen werden sie besuchen. So viel Aufmerksamkeit hatten sie nie!

– Die Hortensien sind eingefügt in einen Friedhof und der Friedhof ist durchwoben von Hortensien. Ein überraschendes, wenn nicht gar berührendes Zusammenspiel. Aufmerksame Besucher werden es wahrnehmen!
Aber nicht nur der intakte Friedhof gibt dem Hortensia-Garden seinen besonderen Rahmen, sondern auch seine Existenz in einem Landschaftsschutzgebiet.
Daraus erwuchs eine erhebliche Herausforderung für die Planer sowie für die Offensive.
Bei den Eingriffen in die Vegetation und in die Struktur des Geländes galt es, genauen Vorschriften der unteren Landschaftsschutzbehörde zu folgen – sprich: in den ursprünglichen Zustand so wenig wie möglich einzugreifen. Und das ist gelungen:
– außer für die Pflanzlöcher, wurde die Krautschicht nicht angetastet
– keine neuen Wege angelegt; nur die alten wurden – mit Schotterrasen – aktiviert

Ein Besuch im Hortensia Garden lohnt sich

– der Baumbestand wurde komplett erhalten
– herabhängende Äste nur gekürzt um Licht und Schatten für die Hortensien zu optimieren
– fremdländische Gehölze wurden gerodet
– bis auf zwei Bänke keine Ausstattungsgegenstände eingebracht
– das Bienenhaus durfte – mit neuer Fassade – stehenbleiben und erhält in absehbarer Zeit wieder neue Völker.

Das macht gerade auch den Charme und das Alleinstellungsmerkmal dieser Anlage aus: Sie ist so weit wie es ging „naturbelassen“. Damit unterscheidet sie sich ganz bewusst von einem durchgestylten Kurpark oder privaten Ziergarten. Gleichzeitig verdient sie den Respekt einer Begräbnisstätte.

Alle Wildkräuter dürfen gedeihen: ungeliebte, wie Giersch aber auch Aronstab, dessen Früchte uns gerade entgegenleuchten, und andere seltene Bewohner lichter Wälder.

Das ist ein Punkt, an den sich die Besucherinnen und Besucher nur schwer gewöhnen. Immer wieder mahnen sie eine akkuratere Pflege an.
Sie werden hoffentlich entdecken, dass sie es hier ganz und gar nicht mit einem „gewöhnlichen“ Hortensienpark zu tun haben und ihn schätzen lernen, wie er ist.

Jetzt zur dritten Besonderheit – der Hortensia-Garden liegt, als blühendes Pendent zur Kunst, auch noch mitten im Lengericher Skulpturenpark. Dieser erstreckt sich von der Heliosklinik bis zur Pforte der LWL-Klinik. Im Zuge der Skulpturbiennale Münsterland 2001, nahm er mit dem „Lengerich Garden Projekt“ des international tätigen Künstlers Ronald Jones seinen Anfang. Seitdem erweiterte ihn der Stadtmarketingverein Offensive Lengerich kontinuierlich.
Eine spektakuläre, temporäre Kunstaktion 2014 und sieben speziell für diese bäuerliche Kulturlandschaft geschaffene Kunstwerke, säumen seinen Weg.
Eines davon – „Vanitas vanitatis“ – von Jupp Ernst, steht nicht zufällig am westlichen Ausgang des Friedhofs. Es führt dem Betrachter die Vergänglichkeit allen menschlichen Strebens vor Augen. Ein Lengericher Kalksteinblock, gehalten von breiten Eisenbändern, zerfällt zusehends, seitdem er vom Druck der Erde befreit ist. Das Eisengerüst wird noch eine Weile länger halten, aber irgendwann vergeht es auch … . Hier findet das Motto des Skulpturenparks : „Die Kunst währt lang, das Leben ewig!“, einen sinnfälligen Ausdruck.

Heute heben wir den wirklich außergewöhnlichen, in Deutschland einmaligen Hortensia-Garden aus der Taufe. Seine besondere Umgebung, viele fleißige Hände, gute Gedanken und tatkräftige Unterstützer leisteten ihren Beitrag dazu.
Er ist das jüngste Kind des Stadtmarketingvereins Offensive Lengerich.
Und wie das mit Neugeborenen so ist, ist es noch klein, und bedürftig. Es braucht unendlich viel Pflege, Geduld und nie nachlassende Fürsorge beim Wachsen und Werden.

Und darum wünsche ich unserem Täufling von Herzen: viele gute Feen an seiner Wiege und viele treue Paten, die sein Wohlergehen zu ihrem nachhaltigen Anliegen machen. Die gut und stetig für ihn sorgen!
Denn heute lässt sich nur ahnen, was da an Vielfalt und Fülle blühen und wachsen will. In zwei drei Jahren entwickeln sich unter günstigen Bedingungen die Pflanzen zu eindrucksvollen Flächen.
Es lohnt sich, immer mal wieder vorbei zu schauen, um den Fortgang zu beobachten. Und nicht nur das, vielleicht möchten Sie dem Projekt ja mit einer Zuwendung unter die Arme greifen. Ihre Hilfe – in welcher Form auch immer – ist herzlich willkommen!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und „immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!“ Auch wenn Hortensien keine Staunässe vertragen, Wasser brauchen sie fast immer!

Barbara Rübartsch

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